BERLINPROBEN BEENDET !

Veröffentlicht am | Samstag, den 08.05.10 | Christoph Schlingensief

Heute gegen 20.00 Uhr war es soweit. der letzte probentag… bis zur letzten minute… und alle hundemüde. zum glück wieder alle fast gesund. komi, der kleinste darsteller der truppe, mußte schon zum zahnarzt und zum internisten, der trompeter nicolas hat die stimme verloren, was einem trompeter egal sein könnte, aber er predigt gerne, und isabelle hat ein problem, auf das man nicht sofort kommt: knieentzündung… warum? wegen der treppen! in burkina faso sind treppen nicht so normal wie bei uns. da lebt man fast ebenerdig. woran man alles denken muß. und trotzdem waren alle von morgens bis abends dabei. abends sind sie dann in die wohnungen gefahren, haben noch gekocht, geredet und geredet und geredet… das gehört in burkina faso dazu… während unsereiner schon zuhause lag… fertig, unlustig, eher schlecht gelaunt. ich kann nicht sagen, das die proben auch was ganz unglaublich schönes haben, aber meine kräfte sind zwar unglaublich gut gerade, aber doch nicht mehr so wie früher. und dann beginn ich zu brüllen,… “ich brauche diesen text… wo ist der ablauf ? was lief da für eine musik?…” usw… alles sehr ungerecht, die reine verzweiflung… wie bekomme ich den eingang zu der arbeit. wie geht man damit um, das diese zusammenarbeit keinerlei sentimentalität verträgt. wie sollen wir die musik von hier mit dem gesang von dort, die themen von nono mit dem unverständnis der burkinabes zusammenbringen. also ich kann ganz offen sagen, das ich in der kurzen probezeit dreimal gedacht habe: abbrechen… einfach schluß… geht nicht… worüber sollen wir uns hier unterhalten? was ist eigentlich die erwartung. vom zuschauer, von den koproduzenten, von der angereisten gruppe und auch von uns, von mir… was hab ich mir eigentlich gedacht? oder hab ich mir eigentlich überhaupt was gedacht? oder hab ich nicht vielmehr einfach gedacht, mehr energie bekomme ich nicht in diesem jämmerlichen zustand… und dann bin ich schlapp genug vieles geschehen zu lassen. und das ist gut so… lass es einfach geschehen… aber auch das war kein wirklicher eingang… und INTOLLERANZA von nono? auch quatsch. das wort landflucht kommt keinem burkinabe (so nennt man bewohner wohl im franzöischen hausgebrauch… wir neigen eher zu “die burkinas”) in den sinn. man verläßt sein dorf sowieso um in der stadt geld zu machen. aber man flüchtet nicht aus dem dorf, weil da nichts los ist oder keine zukunft herrscht? nein, man kehr sogar zurück, um ergebnisse der stadt im dorf wieder anzuwenden. ich käme nicht so schnell auf die idee nun nach oberhausen zurückzukehren… also über was reden wir hier ? und was denken eigentlich die koproduzenten, über die ich hier schonmal geredet habe. amelie deufelhardt von kampnagel ist eine optimale partnerin. aber das kunstenfestival in brüssel hat gnädigerweise erst vor 7 tagen den vertrag unterschrieben. denen scheint völlig egal zu sein, ob da leute aus burkina anreisen. und meine paranoia wächst ständig. neuester wahn: die wiener kombo aus wiener festwochen, der stadt (die eigentlich das meiste fördert), der burg (die eigentlich die meiste organisation übernommen hat), und einigen anderen splittergruppen, die ich nicht genau einschätzen kann, und einem förderer, bei dem ich sogar selber auf anraten der wiener festwochen als privatperson einen antrag stellen mußte, um die produktion dann bei luc bondy zeigen zu können, entschließt sich nach der brüsseler premiere nächste woche unsere produktion trotz ausverkaufter vorstellungen abzusetzen (irgendwo kommt hier ein komma rein). also bis jetzt kein geld. ich schwitze nachts… wegen dem fehlenden eingang in den via intolleranza-dschungel und weil ich einfach geldsorgen habe… aber heute wurden die verträge unterschrieben… von mir mit dem team… auch zu spät. also beschwer dich nicht …. aber so ist das als selbstproduzierender, was ich wohl so schnell nicht mehr machen werde. wenn die deufelhardt nicht wäre, die immer sagt: das wird alles klappen, du wirst sehen…., wäre ich schon abgehaun. und morgen dann um 12 die trauerfeier für werner schroeter in der volksbühne. und die burkinas fliegen um 12 nach brüssel… ich sage noch ein paar worte über den mann, den ich wirklich sehr verehrt habe und immer verehren werde. tja und dann kommen wir nach nach brüssel… da wohnt auch meine cousine mit ihren zwei söhnen und ihrem beim europäischen parlament arbeitenden mann. die söhne sollen wohl schon einen besuch unserer vorstellung abgelehnt haben… ich fände das schade, weil ich die erst einmal gesehen habe, und damals sehr beeindruckend fand. aber das ist auch schon wiedr fast 5 jahre her. da lebte mein vater noch. wahrscheinlich haben sie angst vor mir, weil sie denken, das ich sauereien über unsere verwandten erzähle… oder weil sie keinen onkel wollen, der sich scchon auf der bühne ausgezogen hat… liebe jungs, falls ihr das hier lest: ich bin älter geworden.. ich weiß wie ich aussehe, wenn ich nichts mehr anhabe. also keine angst… und ansonsten kann es sicher nichts schaden, mal etwas chaotisch defektes anzuschauen. ich weiß zwar nicht was irh unter perfektion versteht, aber das was wir euch zeigen werden, ist jenseits davon. und was auch nicht unerwähnt bleiben darf… mein geliebter bühnenbildner thomas george war bis vor kurzem noch im krankenhaus. er hat wohl die ruhr aus burkina mitgebracht… mehrere wochen im krankenhaus… bis zur isolierstation… alles haben sie mit ihm gemacht, und nun ist er abgetaucht… verständlicherweise. sehr schade, denn thomas liebt die burkinas und sie mögen ihn! und carl hegemann war auch im krankenhaus. was er hat weiß noch keiner so genau. aber auch da war eine riesige lücke im team. und meine frau hatte gestern bei ihrem bruder martin premiere: ABSCHAFFUNG DER ARTEN .
link: http://www.centraltheater-leipzig.de/centraltheater/programm/skala/
also das thema berührt uns auch… selbstabschaffung der gesellschaft der selbstgeschädigten. und nun eine gute nacht! die fotos zeigen die burkinamannschaft und das team. mehr teambilder vielleicht schon morgen… jetzt erstmal schlafen… gute nacht!

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