WIR DANKEN ALLEN IM PFAUEN UND IM NEUMARKT ! (sagen rene und ich)…. DOPPELPREMIERE IM PFAUEN UND NEUMARKTTHEATER… (Zustand der Materie kurz nach dem schwarzen Loch von Cern. )

Veröffentlicht am | Samstag, den 05.12.09 | Christoph Schlingensief

Es war ein guter abend. Jedenfalls wollte der Applaus auf beiden Seiten nicht enden. Wie mit rene besprochen haben wir erst um 20.10 uhr angefangen, damit martin und carolin im pfauen (da fand die premiere von renes neuem stück „calvinismus Klein“ statt, während meine premiere im neumarkttheater zur selben zeit startete.) mitten in unserem teil, und wir wissen nie wann das genau sein wird, schaltet sich dann rene mit seinem stück bei uns mit einer liveübertragung ein. Das interaktive und das interpassive theater. Das thema des abends in doppelter hinsicht. Das religiösaktive und das religiöspassive theater bei uns trifft auf renes diskurs zum interaktiven und interpassiven theater, obwohl renes texte natürlich nicht nur darum kreisen. jedenfalls hat er nur teile seiner neuen texte benutzt, was aber klar sein müßte, auch wenn ich irritiert bin, das ein kritiker im deutschlandradio gedacht hat, was geschrieben wurde muss natürlich auch gespielt oder zumindest auf der bühne gesprochen werden. vielleicht hat ihn da die dramaturgie hintenrum mit text versorgt oder er war noch nie bei rene. naja… soll vorkommen.

2)  Nach unserem ersten teil geht es dann mit herrn andersen durch die gassen von zürich. Michaels wundervoller chor begleiten ihn und seine familie. Ein wunderbarer augenblick, der mich persönlich immer an die pausen in bayreuth erinnert. Nach jedem akt erstmal luft holen, den körper wieder in bewegung setzen und dann wieder rein mit dem fleisch….
Danach dann teil 2 im fenster des kunsthauses. Das ganze immerwieder bei rene eingeblendet und so verzögert, dass wir nach einem anruf den weitermarsch zum pfauen antreten. Der pfauen gibt sozusagen das zeichen zur intervention, die allerdings gar keine ist, jedenfalls nicht für hypergott, der in beiden aufführungen eine freundliche einheit anerkennt. Wie schon jetzt im radio zu hören war, fühlt sich der schweizer kritiker um den text gebracht, den er vor sich liegen hat… was übrigens sehr merkwürdig ist… welche fassung soll das sein? Auch unsere fassung, die hier im netz steht und von evangelischen und katholischen gemeinden oder institutionen kostenlos nachgespielt werden kann, ist genauso unvollendet wie die von rene.
Ist das vielleicht genau der interpassive moment, den rene beschreibt ? der schweizer kritiker will carolin und martin genau mit dem text hören, ihre auseindersetzung und diskussion “geniessen”, damit er schön ausruhen kann? Andererseits hält der andere radiokritiker dagegen, dass das publikum, das den text eben nicht vor sich hatte, das aufeinandertreffen von zwei  freunden sofort verstanden und honoriert hat. Bei rene gab es in diesem sinne somit keinen schluß, denn was sollte der schluß bei so einer idee überhaupt sein ausser vielleicht das aktive applaudieren, nach einer schönen zeit der passivität wie sie bei jedem stück nach 5 bis 8 stunden (siehe peter stein) sowieso als eigene lustvolle betätigung einsetzt. Wer hat hier also wen gestört oder um den text gebracht? Niemand !

Rene war zufrieden und ich auch. Rene gestern in der NZZ :“ Ihn und mich treibt die Frage um, wie etwas, was nicht zu teilen ist, die Grundlage von Kommunikation werden kann.“
Rene, martin und carolin, und christoph und seine mannschaft konnten diesen schluß gemeinsam geniessen. Dazu kam noch der satz: „Erinnern heißt vergessen !“ wieviel hass gab es damals in diesem pfauen als wir „hamlet“ und „Attabambi Pornoland“ aufgeführt haben.

Schon damals eine interaktive arbeit, die den aufbruch in die theaterpassivität zum thema hatte. Damals wären viele froh gewesen, sie hätten unseren hass auf die rechtsradikale SVP gleich auf einen polizisten oder den staatsanwalt auf der bühne delegieren können. Das war eigentlich die geburtsstunde des interpassiven theaters in zürich (höhöhö). Und nun die übermalung durch erinnerung und nur noch lächelnde, freundliche gesichter. —
Im vierten und letzten akt dann die ankunft des sterbenden als parsifalzitat,… der immerwährende sterbende und auch hier delegieren die gralsritter den schmerz an amfortas andersen.

Rene sagt interpassives theater und ich denke an die gralsritter !
Und dann kommts: Tristan und Isolde. Direkt am anfang des abends im ersten akt und dann zum schluß im vierten akt. Hier ist es zu spät um zu delegieren ! mehr will ich nicht sagen. Der tristan ist erst am anfang ! und wie schon beim parsifal nutzt jeder seine möglichkeiten, um vorarbeit zu leisten. Rene und ich sind keine transformationskünstler !
Was also ist, wenn die interpassivität verschwindet, weil der spielpartner, der deligierte partner verschwindet?
Was also wenn der bereits tot ist, den ich liebe ? Wenn ICH bereits tot bin, ICH, den ich eigentlich hätte lieben können.Das stück , dass da angeblich gestorben ist und was den kritiker um seinen genuß gebracht hat, war vielleicht gar nicht da. Und auch meine vorführung des sterbenlernens ist am wahren tod gescheitert. Herr andersen kann nur sterben, wenn ihm seine frau sagt, dass die musik überleben wird. Und am theater hat die wahrheit ihre grenzen ! ob nun also herr andersen stirbt oder das stück… beides gleich. Und das wäre doch auch mal interessant, wenn man da in der nächsten zeit etwas drüber hören oder lesen könnte.

Ich weiß, dass gerade der Normalsterbliche, von dem es in den nächsten 100 jahren mindestens 6 milliarden geben wird, genau weiß was eine prozession, was ein museum und was eine schauspielkirche bedeuten. “Der schreitende Leib” wird es erfahrbar machen. Und dafür muß man leider auch mal aufstehen und seinen eigenen körper in schwingungen versetzen ! und das nennt man dann die OBERTÖNE! ….

Gute nacht… Und wenn es im traum doch wieder nur zur verfolgungsjagd reicht, dann habe ich zumindest meine dr.mabuse perücke dabei. „Meine seele muß in ihren tiefsten tiefen verunsichert werden, durch scheinbar sinnlose gedanken, die nur den einen sinn und zweck haben, nämlich angst und schrecken IN MIR zu verbreiten ! solange kann ich zumindest nicht sterben.“ (und noch was… in den nächsten tagen hoffe ich darauf, dass ich hier ein paar ausschnitte des abends veröffentlichen kann… genauso wie ausschnitte von rene und vielleicht auch unser zusammentreffen. Und natürlich noch weitere fotos und texte… das programheft gibt es morgen auf http://schlingenblog.posterous.com —
Und nun aber wirklich: Gute Nacht!
ACHTUNG ! (Copyright der angehängten Fotos liegt bei Kathrin Mayr !)
 

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