DATEN, Fakten, Hugo ball….

Veröffentlicht am | Dienstag, den 18.05.10 | Christoph Schlingensief

Mea culpa: märz 2009 (große Bühne) – zürich “sterben lernen” : ende 2009 (kammerspiel und draußen) – Via intolleranza mai 2010 (mittelgroße Festivalbühnen). also über ein jahr kein neues stück. da machen andere 4 bis 6 stücke im jahr… immer neue themen, immer neue sujets, zack, zack, zack… die maschinen rollen. bleib nicht zulange bei einem thema… – noch vor 6 jahren war das anders. da fragte mich jemand im interview: ach der animatograph, das ist doch wieder so eine eine schnelle idee… was kommt als nächstes… ich muß ehrlich sagen, das ich doch stolz bin die themen länger zu halten. sogar zu sehen, das sie länger bleiben, weil sie bestandteil des eigenen lebens geworden sind. das was literatur bewundert oder auch der film oder die bildende kunst, scheint im theatralischen bereich ein zeichen für stillstand zu sein. ich behaupte mal, das 4 bis 6 stücke ( die ein gefragter theatermensch in deutschland so im jahr auf die beine bringen kann) keinen wirklich neuen inhalt zeigen können, sondern nur eine gleichbleibende stilmethode anwenden. also nichts anderes als die portraitmaler am pariser eifelturm. man malt in seinem stil auf einem thema rum. eigentlich auf jedem…und das haus , an dem es stattfindet spielt eigentlich auch keine rolle mehr. ehrlich gesagt, kann ich so nicht mehr denken. eine ware von einem haus zum nächsten zu bewegen, ist nochmal etwas anderes: siehe theatertreffen. da geht dann der berliner hin und schaut mal schnell, ob das denn auch wirklich stimmt, was da in wien oder wo auch immer wirklich noch funktioniert hat. da aber der raum in berlin sowieso einen ganz anderen atem besitzt, ergibt das meist luftmangel für die, die sich voller freude an dieser auszeichnung auf den weg gemacht haben. also merke: theater handelt meist atemlos. und deshalb glaubt sich der betrachter meist als aussenstehender “gesunder”, der es kaum erwarten kann, den nächsten zug zu starten, der dem theatermenschen dann natürlich wieder fehlt. (deshalb hat die oper auch die statik für sich gepachtet, damit die körper nicht ausser atem geraten) auch eine qualität, aber was hat das heutzutage noch mit unserer zeit zu tun oder der zeit, zu der sich theater permanent verhalten will? – Hugo Ball, 1926: “Der Kranke belehrt die Gesunden. Kunst und Künstler haben das Höchstmaß ihrer Leiden erreicht. Der Kranke tröstet den Gesunden als den noch nicht der Dissoziierung Verfallenen, aber mit ihr Kämpfenden. Er tröstet ihn, indem er eine Einheit der Anschauungsformen in der fernsten Totemvorstellung des Wilden und den letzten Verwirrungen einer übervölkerten Kultur erweist. Er tröstet den Künstler, indem er zeigt, daß die intellektuelle Katastrophe den Kunst-(oder Heilungs-) Prozeß nicht zu stören vermag, sondern ihn fördert; daß also aller Voraussicht nach bei einer Verschärfung der jetzigen Situation die letzte Fackel der Menschheit, die Kunst, nicht verlöschen wird, fänden sich die Künstler auch in den Theatern unserer Zeit wieder…(…)”

 

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