ÜBER DIE PERSPEKTIVE

Veröffentlicht am | Dienstag, den 08.12.09 | Christoph Schlingensief

chuchu

 
Ohjeeee… mit sovielen reaktionen auf meinen brief an die kritikerin habe ich gar nicht gerechnet, und irgendwie ist das auch nicht gut so. sogar die kritikerin selbst fand es gemein und dennoch bedenkenswert. Ich selber muß trotz aller positiver kommentare allerdings sagen, dass ich seit dieser nacht noch größere achtung vor dem beruf des kritikers habe, weil ich sowas gar nicht könnte. Mir ging es schlecht nach dem brief, weil ich den öffentlichen weg gewählt habe. Also das was kritiker permanent tun. Aber ich kann das dann nicht wegstecken und sagen: so ist es eben.. jetzt hab ich es so gesagt. Basta… und weiter zur nächsten abrechnung oder liebeserklärung. Meine mentalität ist da doch etwas anders. Ich kann zwar gut meine meinung zur politik oder auch zum leben formulieren, aber bei so „lustbetonten dingen wie theater und oper, kunst und musik, malerei und tanz, usw…“, bekomme ich plötzlich platzangst vor mir selber. ich denke der prozess hier in zürich, wo wir wirklich mit „sterben lernen“ sehr gut in den reaktionen der kritik und der zuschauer weggekommen sind, habe ich aber im wechselspiel mit der anderen theaterarbeit im pfauen einige dinge genauer betrachten dürfen als sonst. Noch in der nacht der premiere gab es doch die radiokritik, in der zwei kritiker in der sendung FAZIT ihre eindrücke von beiden orten her schilderten. Da gefiel es dem kritiker gampert nicht, dass er im pfauen durch unseren prozessionsaufmarsch teile der texte von rene nicht mehr hören und erleben konnte. Er war sogar sauer, dass das so gekommen war, während der andere kritiker müller unsere arbeit eben von der anderen seite her erlebt und für interessant eingestuft hatte. Nun schreiben beide kritiker heute in der stuttgarter zeitung nochmal über den ganzen abend, haben aber mittlerweile die orte vertauscht. Gampert saß in der zweiten vorstellung bei uns im neumarkt und müller dafür im pfauen bei rene pollesch. Und plötzlich liest man da eine ganz tolle beschreibung, keine totalwendung, aber gampert sieht plötzlich, dass unser auftritt bei rene doch zeitlich abgesprochen war. Soetwas finde ich toll. Das zeigt die möglichkeiten unserer arbeit. Und genau das habe ich mit meinen vielen texten zur kritiker- und regieperspektive aufzeigen wollen. Was nutzt es wenn michael laages für die nachtkritik über unseren aus 4 teilen bestehenden teilen berichtet, davon aber nur 2 gesehen hat, weil er für die prozession, das kunsthaus und auch den besuch bei rene pollesch den langen weg aus gesundheitlichen gründen nicht auf sich nehmen wollte oder konnte. Stattdessen schreibt er über vorproduzierte videokonserven, die er im neumarkt auf einem fernseher sehen konnte. Spätestens beim blick aus dem fenster hätte er sehen können, dass herr andersen auf der bühne eine schwarze hose trug und eben keine windel wie in der konserve. Und außerdem gab es an jenem abend auch keinen regen, auf dem video aber schon. Also was will da einer schreiben, der gar nicht dabei war? Sind das die richtigen kritiker für nachtkritik.de ? … naja… ich fange schon wieder an. Die stuttgarter zeitungskritik und auch die anderen von simone meier oder aus dem tagesspiegel, der frankfurter rundschau, usw… konnten ihre eigene perspektive in dieses spiel mit perspektiven spannend und genau beschreiben. Und das versöhnt sehr ! da ich ja vom film komme, spielt für mich seit jüngster jugend die perspektive eine entscheidende rolle. Die perspektive aus der krankheit und die perspektive aus der krankheit. Die passive zeit und die aktive zeit. Der blick auf jemanden anderen (herr ander – (s)en) ist für mich ein neuer schritt nach der ganzen krebsscheiße. Und renes gedanken zum interpassiven wäre natürlich ein großartiger vorgang gewesen… da wäre dann der darsteller für mich zur chemo gegangen und ich hätte schön tatort sehen können. Aber vielleicht habe ich auch als patient in ein paar momenten der ganzen kranken zeit einen teil an mich als schauspieler abgegeben. Ich war also plötzlich darsteller der krankheit und habe auch den schmerz somit etwas delegieren können. Kein schlechter weg, über den ich gerne noch länger nachdenken werde. Aber nun geht es zur letzten aufführung heute und das ganze kann man dann im märz nochmal am HAU2 in berlin sehen. Mal sehen was sich allerdings bis dahin schon wieder für neue perspektiven ergeben haben. Die jetztige gefällt mir eigentlich sehr gut…. Und den namen der krtikerin lösche ich jetzt mal und ergänze sie durch den namen: frau andersen, kritikerin andersen. Das ist besser. Dann kann ich wieder besser schlafen……

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