SCHLINGENSIEF GEGEN BAYREUTH ? ACH JA ?

Veröffentlicht am | Montag, den 23.11.09 | Christoph Schlingensief

Ohje Ohje, was ist denn da schon wieder passiert ? sogar manuel brug stürmt gleich zur tatstatur und muß bayreuth zur seite springen. Kriegen die da geld für? Ich habe anlässlich meiner „lesereise“, auf der ich keine Seite aus dem Buch lese, sondern 2 bis 3 stunden über die arbeit und das projekt in burkina faso berichte, und am ende soviel geld einsammel wie ich nur kann, weil für die finanzierung natürlich jeder pfennig benötigt wird, ein interview mit der rheinischen post geführt. Darin ging es um – natürlich – krebs, glauben, kirche, das burkina-projekt und in einem sehr kleinen absatz auch über bayreuth. Frage: würden sie in bayreuth nochmal inszenieren. Daraus hat die RP eine reisserische pressemeldung gemacht. Das erstmal dazu. Bayreuth scheint also das thema zu sein. Nichts anderes ist interessant, und wenn das auch noch vom angeblichen provokateur kommt, dann stimmt die kasse, dann kann der platz beruhigend gefüllt werden. Und manuel brug, der doch immer so amüsant schreibt, also eher locker und deshalb auch meist sehr unterhaltsam, wird plötzlich zum anstandsonkel von bayreuth. Deshalb folgende dinge:

DAS KLANGWELTWUNDER VON BAYREUTH:  ich habe nichts gegen die übertragung von opern in die ganze welt per satelitt oder morsesprache. Alles kein vergleich zum standort bayreuth! ich bleibe deshalb dabei, dass das public viewing in bayreuth, das  von einigen musikkritikern als der inbegriff des fortschritts hochgejubelt wurde, nichts mit bayreuth zu tun hat und reine täuschung ist. Komischerweise bin ich da weitaus konservativer als manuel brug und die wächter des wahren wagnergeistes.  Der klangkörper des bayreuther festspielhauses ist einzigartig und wenn zum beispiel die bayerische, und die bundesregierung mit ihrer oberwagnerianerin merkel diesen ort wirklich als „DAS KULTURGUT“ ansehen würden, mit dem sie so gerne für sich selber werben,  dann hätten sie dieses klangweltwunder mit einem zweiten oder sogar einem eigenen orchester ausgerüstet, und für die „gemeine“ Bevölkerung geöffnet. Natürlich gäbe es dann nicht immer die gleichen sänger, aber das könnte ein programmheft sicher ganz leicht erklären. Oder eben ein kleiner bericht eines musikkritikers mit gutem gedächtnis, der den lesern dabei hilft, den stellenwert des sängers zum beispiel im vorfeld schmackhaft zu machen. Das ganze dann ins netz gestellt als kleines sängerlexikon und schon wäre burgfrieden.   Die regierung würde den stellenwert bayreuths endlich aus den möchtegern-königshaus-amibitionen der familie wagner befreien und das elitäre treiben beenden. 3 monate im jahr und dreimal soviele leute könnten dieses klangwunder selber anhören und müßten nicht vor irgendwelchen lautsprecherwänden sitzen. (oder stimmt das mit der kartennachfrage etwa gar nicht?)

ABHÖRMIKROS IN BAYREUTH: „Schlag nicht auf die Hand, die Dich füttert.“ Ui ui ui…… ich habe nun wirklich oft genug gesagt, dass ich die arbeit am parsifal als ein sehr großes glück empfinde, für das ich wolfgang wagner, gudrun und katharina sehr dankbar bin. Katharina hat nun selber desöfteren gesagt, dass gerade meine arbeit sehr viele gute dinge und veränderungen nach bayreuth gebracht hat, die auch sie in ihrer arbeit und in ihrer bayreuther arbeit nutzen (interviews liegen vor). Warum also dieser oberlehrerton? Vielleicht habe ich genauso von bayreuth gelernt und profitiert wie bayreuth von unserer für das haus ungewöhnlichen arbeitsweise und dem nicht zu unrecht gelobten ergebnis. Dass es auf dem grünen hügel allerdings ziemlich faschistische methoden gab, abhörmikros in einigen zimmern, spitzelangestellte, usw… können sicher auch viele mitarbeiter, sänger, regisseure, z.b. auch jürgen flimm oder die verwandte eva bezeugen. Nur bei mir klingt es gleich links oder radikal oder eben provokativ. Es war einfach die wahrheit. Gudrun hat ihre eigene tochter nachts rausgeschmissen, schlösser ausgetauscht und sie nie mehr ins haus gelassen. Und davon gibt es viele wahre geschichten. Und die haben übrigens mittlerweile auch kultstatus.

DIE VERFILMUNG DES PARSIFAL:
Damit auch die ewige spekulation über die nicht erfolgte verfilmung meines parsifal mal eine neue wendung bekommt: es gibt 2 durchgehende aufnahmen von der premiere und aus dem dritten jahr. Desweiteren fast 3 stunden in sehr guter DV qualität. Das material befindet sich in meinem besitz. Es dürfte also der nachwelt sehr wohl möglich sein die produktion zu beurteilen.

résumé: Bayreuth ist für mich noch immer der spannendste ort, um richard wagners idee zu hören und zu diskutieren. Und genau das wird man nicht durch massenveranstaltungen auf marktplätzen erreichen. Bayreuth muß man besuchen, um neben all den anderen opern, wenigstens einen ort zu erleben, den ein komponist speziell für seine ideen errichtet hat. Jedenfalls in diesen dimensionen. Und genau dort auch als ort der diskussion seiner zum teil stark verirrten schriften.  Genau das sollte alles gepflegt und gefördert werden. Die bundesregierung muss sich fragen, warum sie diesen ort einer solchen fehlinterpretation ausliefert. Gerade nach dem abdanken von wolfagng wagner. Warum finanziert man diesen ort nicht als kulturelles gut ? und zwar so, dass auch die bevölkerung etwas davon hat und nicht nur elitäre aufmärsche für die berichterstatter, die sich zum teil sehr gerne in solchen kreisen aufhalten, um auch ihrem eigenen elitären gehabe zucker zu geben. In diesem sinne gebe ich meinem elitären anspruch zucker und verlese morgen in bochum auch noch ein paar lustige briefe aus bayreuth. Briefe, die nur ich besitze ! und dann sammel ich geld, geld, geld, weil es wichtigeres gibt als die meinung, man würde seine sachen nur bewerben, um damit für sich selber geld zu machen. ( na dann warte ich mal auf die kommentare, ab wann etwas selbstlos ist und ab wann….)

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